Die Tastuntersuchung ist vom Tisch
Prof. Peter Albers erläutert die Aktualisierung der S3 Patientenleitlinie Prostatakarzinom
Prof. Peter Albers erläutert die Aktualisierung der S3 Patientenleitlinie Prostatakarzinom und beleuchtet die Bedeutung des PSA-Wertes im zukünftigen Umgang mit Prostatakrebs-Früherkennung. Er ist Direktor der Urologie am düsseldorfer Universitätsklinikum und leitet außerdem die Abteilung C130 - Personalisierte Krebsfrüherkennung des Prostatakarzinoms am Deutschen Krebsforschungszentrum (dkfz)
Blue Ribbon: Es gibt eine Aktualisierung der S3 Patientenleitlinie, an der sich Ärztinnen und Ärzte in ihrer Diagnostik- und Therapieentscheidung orientieren. Die besagt die Tastuntersuchung sei vom Tisch?
Prof. Albers: Ja, die Digital Rektale Untersuchung (DRU) ist nicht nur durch die PROBASE Studie, sondern auch durch eine Meta-Analyse weiterer Studien, als Früherkennungsmethode tatsächlich jetzt vom Tisch, weil damit zu wenige Tumore im Frühstadium gefunden werden. Ich glaube, das wird nun auch gesundheitspolitische Entscheidungen zur Früherkennung beeinflussen, denn die Tastuntersuchung ist ja seit über 50 Jahren immer noch der Standard der von den Kassen empfohlenen Prostatakrebsfrüherkennung. Wir konnten selbst Tumore, die wir im MRT gesehen haben, nur zu 14 Prozent tasten.
Blue Ribbon: Damit werden beim Tasten in der Schlussfolgerung Tumore im frühen Stadium übersehen?
Prof. Albers: Nicht nur das. Der zweite Punkt ist, dass durch das Ertasten gutartiger Befunde auch ein quantifizierbarer Schaden verursacht wird. Neben übersehenen Karzinomen entstehen umgekehrt auch diese falsch-positiven Befunde, die als Konsequenz viele Tests und invasive Diagnostik auslösen. Auch Ängste bei den Patienten.
Blue Ribbon: Ist der PSA-Wert, also die Blutabnahme, ein sinnvoller Ersatz? Es gehen sowieso schon sehr wenige Männer zu einer Prostatakrebs-Früherkennung. 16-23% je nachdem welche Quelle man zitiert. Aber ohne eine sinnvolle Untersuchung geht wahrscheinlich niemand mehr hin.
Prof. Albers: Das wäre tatsächlich zu befürchten. Es gibt aber keinen Grund, die Früherkennung nur deshalb zu meiden, weil man Angst vor dieser sogenannten Hafenrundfahrt hat. Ich kann mich mit einem einfachen Bluttest darum kümmern. In der PROBASE Studie entstehen gerade Ergebnisse, die ein auf den einzelnen Mann abgestimmtes, risikobasiertes PSA-Screening nahelegen. Ohne familiäre Vorbelastung beginnt die Früherkennung mit einem einmaligen sogenannten Basis-PSA-Wert im Alter von 45 bis 50 Jahren. Wenn der Wert in dieser Altersgruppe unter 1,5ng/ml liegt, konnten wir zeigen, dass man mindestens fünf Jahre keine weiteren Untersuchungen braucht, weil der Wert in dieser Zeit nicht ansteigt und fast keine Karzinome gefunden wurden. Diese Situation betriff laut unserer Datenlage etwa 90% der Männer zwischen 45 und 50 Jahren, die dann fünf Jahre nicht mehr eingeladen werden müssen und beruhigt sind. Das ist eine erhebliche Verbesserung der Früherkennung ab 45 Jahren. Darüberhinaus ist es aber auch weiterhin in unserer Verantwortung, die notwendigen Untersuchungen ab einem Basis-PSA-Wert von über 3 ng/ml noch besser darauf abzustimmen, dass wir wirklich nur aggressive Karzinome finden. Da wird sich in nächster Zeit noch viel tun.
Blue Ribbon: Wir haben es jetzt so verstanden, dass sich ein Mann nach jetzigem Stand der Wissenschaft idealerweise mit 45 bis 50 Jahren eine Art Basis PSA-Wert bestimmen lässt. Das ist aktuell noch eine IGeL Leistung, die rund 30 Euro kostet. Dieser Wert ist dann eine Hilfestellung dafür, zukünftige Werte besser einordnen zu können. Im Alter wächst die Prostata und erzeugt auch in ganz gesundem Zustand etwas höhere Werte. Sprich ein flacher Verlauf nach oben ist dann erstmal nicht besorgniserregend. Die Versicherungen zahlen aber aktuell weiterhin die Tastuntersuchung? Ist das nicht etwas absurd, wenn die Untersuchung keine Ergebnisse liefert?
Prof. Albers: Ja, aber die Krankenkassen möchten verständlicherweise die Tastuntersuchung nicht abschaffen, ohne im Gegenzug etwas anderes dafür anzubieten. Und die alternative Früherkennung für die gesamte Gruppe der Männer von 45 bis z. B. 70 Jahren ist, um ehrlich zu sein, nicht ganz klar. Der einfachste Ersatz ist wahrscheinlich ein singulärer Basis-PSA-Wert im Alter 50. Für ältere Männer muss der Basis-PSA Wert noch geprüft werden. Hier stehen noch einige Forschungsergebnisse aus.
Blue Ribbon: Was mache ich aber, wenn ich schon 60 Jahre oder älter bin und erst dann meinen ersten Wert bestimme?
Prof. Albers: Dann sind wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei einer zusätzlichen MRT Untersuchung zur Abklärung. Es sei denn der Wert liegt unter 1,5ng/ml. In diesem Alter gibt es aber nicht mehr viele, die einen so tiefen Wert haben. Ab 3ng/ml beginnt die Diagnostik.
Blue Ribbon: Vielen Dank für dieses Gespräch!
MEHR INFORMATIONEN ZUR FRÜHERKENNUNG VON PROSTATAKREBS GIBT ES HIER.
